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Eine Woche ohne Google.

Heute ist Streetview in Deutschland gestartet. Und ich habe jetzt genau eine Woche weder Google Search noch Google Maps oder Streetview noch sonst eine Suchmaschine genutzt. Eine Woche ohne Google oder einen Monat – ich denke, es macht keinen Unterschied: geht es eine Woche, geht es immer.

Es war,zum ersten, viel leichter, als ich dachte: das meiste, was ich suche, findet ich – ohne Spam – auf Wikipedia. Was dann noch fehlt, bekommeich über die Blogs und Websites, die ich lese und wenn mir wirklich etwas fehlt, hilft die #Followerpower auf Twitter – irgendjemand weiß immer Rat.

Zweitens – und das finde ich wirklich bemerkenswert: das Internet wirkt plötzlich nicht mehr wie eine Wüste; ich habe nicht mehr das Gefühl, dass unter 1000 Seiten, die mir angeboten werden höchsten eine ist, die mich wirklich interessiert. Ich bin seit einer Woche wirklich nicht auf eine einzige Seite getroffen, bei der es sich nicht gelohnt hat, zu verweilen. Keine Honey-Pots, Seiten, die uns zu sich über suchmaschinen-optimierte Versprechen zu sich ziehen, wie der süße Duft des Honigs die Bienen anlockt; keine der meist lieblosen und fast immer wertlosen Portalangebote, die jede Suche dutzendweise nach oben spühlt; diese Seiten tauchen nämlich weder auf Wikipedia noch in meiner Timeline jemals auf.

Im Internet surfen – das war das Bild, dass in der Zeit vor Google unser Gefühl beschrieben hat, im Internet von einer Welle zur nächsten zu gleiten. Dieses Gefühl kann man immer noch haben – man muss nur aufhören, zu suchen.

Die bisherigen Posts zum Experiment “Ohne Google”:
Die bisherigen Posts zum Experiment “Ohne Google”:

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Medienkompetenz: unser Umgang mit den Apparaten. Ohne Google, Tag 4

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“Ask any kid what Facebook is for and he’ll tell you it’s there to help him make friends. […] He has no idea the real purpose of the software, and the people coding it, is to monetize his relationships. He isn’t even aware of those people, the program, or their purpose. […]
The kids I celebrated in my early books as “digital natives” capable of seeing through all efforts of big media and marketing have actually proven *less* capable of discerning the integrity of the sources they read and the intentions of the programs they use.”

Douglas Rushkoff

Vilém Flusser hätte Google einen Apparat genannt, der funktional sehr einfach aber strukturell hoch komplex ist. Vor solchen Apparaten hatte uns Flusser stets gewarnt: sie zu beherrschen ist fast unmöglich – zuviel Spezialwissen aus unterschiedlichen Disziplinen ist dazu nötig; sich von ihnen beherrschen zu lassen dagegen ist ganz einfach: sie sind uns nützlich und für jeden leicht zugänglich – auch ohne Expertise.

Was für die Nutzung des Internets generell gilt, sollte uns für Google besonders wichtig sein. Im September haben laut ComScore knapp fünfzig Millionen Deutsche auf Google zugegriffen, das sind etwa 90 % der Online-Bevölkerung; jeder dieser fünfzig Millionen Besucher war dabei im Schnitt vierzig Mal auf den Google-Seiten. Und während die meisten Nutzer auf die Frage nach dem Existenz-Grund für Google wohl ähnlich auf den Nutzen beziehen würden, die sie sich selbst durch die Suchmaschine versprechen, wird doch spätestens bei der Veröffentlichung der Quartalsergebnisse deutlich, dass Google unter allen Medien inzwischen wahrscheinlich der effizienteste Werbeträger ist – zumindest was Performance-Werbung betrifft.

Die Menschen hinter SEO und SEM haben Google genau in diesem Sinne verstehen gelernt. Und damit auch klar ist, worum es sich bei den Search-Experten handelt, gibt es eine schöne, bildhafte Einteilung in zwei Lager:
die Black Hats – die Bösewichte aus dem Western, die systematisch die Schwächen der Such-Algorithmen ausnutzen, die bei so komplexen Systemen unvermeidbar sind, und die White Hats, als die man in der IT-Praxis die Sicherheitsexperten, die “Guten” Hacker bezeichnet, die mit ihrem Wissen helfen sollen, Systeme zu stabilisieren.

Für uns Nutzer ist es aber tatsächlich egal, ob wir von einem düsteren Black Hat auf eine Seite gelotst werden, auf die wir gar nicht wollten, oder ob uns ein White Head, ein Angestellter einer “seriösen Search-Agentur” ein Suchergebnis nach oben optimiert wurde, das wir auch nicht bekommen wollten. Aber im Englischen kommt bei beiden Begriffen eine schöne Doppeldeutigkeit zum tragen: Blackhead und Whitehead – beides bedeutet Mitesser. Das heißt, auch bei den SEO-Profis, die sich vielleicht selbst als die Helden mit den weißen Hüten sehen möchten, kommt unweigerlich die Assoziazion von lästigen Hautunreinheiten.

“When human beings acquired language, we learned not just how to listen but how to speak. When we gained literacy, we learned not just how to read but how to write. And as we move into an increasingly digital reality, we must learn not just how to use programs but how to make them.

Digital tools are not like rakes, steam engines, or even automobiles that we can drive with little understanding of how they work. Digital technology doesn’t merely convey our bodies, but ourselves.

At the very least we must come to recognize the biases – the tendencies- of the technologies we are using.”

schreibt Douglas Rushkoff weiter.

Digital Literacy – Medienkompetenz für Online-Medien – besteht nicht nur darin, zu Wissen wo und wie man relevante Informationen findet, es geht nicht nur darum, die Qualität von Quellen kritisch beurteilen zu können und auch nicht nur darum, mit persönlichen Daten sorgfältig umzugehen. Digital Literacy bedeutet zu allererst zu erkennen, welche Interessen im Netz wirken, auf welche Absichten verfolgen, bestimmte Dienste anzubieten und die technologischen Grundlagen dafür zu begreifen.

Und genaus, wie wir nicht nur hören sondern auch sprechen lernen, nicht nur lesen, sondern auch schreiben, wird das, was uns im Umgang mit Medien wirklich kompetent macht, erst erreicht, wenn wir nicht nur passive Nutzer sind, sondern aktiv eingreifen. Wir sollten alle – wenigstens in Grundzügen – die Fähigkeit besitzen, SEO zu machen. Wir sollten die Funktionsweise der Apparate für unsere Zwecke einsetzen, genau so, wie die Suchmaschinen-Optimierer dies tun, und zwar so gut wir können, unseren Teil vom Profit aus diesen Strukturen holen.

Oder wie Benedikt Köhler bemerkt: “Maschinen sind dazu da, uns zu dienen. Aus der Kultur der Hacker können die Medienmacher lernen: sich nicht den Maschinen unterordnen, sich genausowenig verweigern, sondern die Maschinen ausnutzen, ja regelrecht ausbeuten, versklaven!”

Gerade sitze ich in Schwechat. Es ist ein wunderschöner Herbsttag und auch gestern ist es mir wiedermal nicht besonders schwer gefallen, auf Suchmaschinen zu verzichten. Alles, was ich an Links gebraucht habe, um etwa diese Reise vorzubereiten, habe ich auf Wikipedia gefunden oder von Freunden empfohlen bekommen.

Weiterlesen:
“Das Heer der technischen Sklaven”

und die bisherigen Posts zum Experiment “Ohne Google”:
Die bisherigen Posts zum Experiment “Ohne Google”:

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Ohne Google.

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“Die Welt ist keine Kugel”. Es ist der Berg des Nordens, dessen Schatten die Nacht erzeugt. Perspektivenwechsel, wie ihn die “Christliche Topografie” von Kosmas Indikopleustes vorlegt. Darauf wäre ich wohl auch nicht über Google gestoßen.

Abbildung nach Cosmas Indicopleustes, Christian Topography, Hsgb. J. W. McCrindle, Calcutta 1897

The strongest arguments prove nothing so long as the conclusions are not verified by experience. Experimental science is the queen of sciences and the goal of all speculation.
Roger Bacon

Ich habe mich entschlossen, ein Experiment zu machen: ich werde von heute an die Suche von Google nicht mehr nutzen.

Ort und Gelegenheit, zur Geburt dieser Idee war eine lange und lebhafte Diskussion mit Benedikt Köhler, Peter T. Lenhart und Sigrid Schwarz vergangenen Freitag in der Galerie Royal – genau passend, für das, was ich im folgenden beschreiben möchte.

Warum kommen wir auf diese Idee?

Es gibt einen Anlass und einen Grund für meine Entscheidung. Am vergangenen Freitag habe ich – wie so oft – versucht, Information zu einem bestimmten Produkt bzw. einer Marke zu finden, indem ich danach gegoogelt habe. Unter den ersten zehn Seiten von Treffern, also die ersten hundert Web-Seiten, die Google meiner Suche nach für relevant hält, war kein einziger Link, der tatsächlich etwas mit meinem Suchwort zu tun hatte. Es waren ausnahmslos Portale zum Preisvergleich, Empfehlungsportale oder Versandhändler – und stichprobenhaftes Aufrufen der Links förderte schnell zu Tage, dass keines der angeklickten Unternehmen das von mir Gesuchte tatsächlich angeboten hätte. “Finden Sie Machiavelli günstig bei ebay”, “Billig Hausstaubmilben bei Amazon bestellen”. – das ist mein Anlass, mehr nicht. Ich will gar nicht in ein Lamento über die Unart der SEM/SEO-Branche verfallen, über die Lebenszeit, um die uns diese Agenturen mit ihren anbiedernden und dummdreisten Tricks betrügen, um die Bandbreite, die durch ihren Spam verstopft wird. Das alles sind ja Gemeinplätze.

Der Grund für mein Experiment, nicht mehr mit Google zu suchen, liegt tiefer. Eine Suchmaschine nimmt ein Wort oder mehrere Worte, die ich vorgebe und liefert die Seiten im Netz, auf denen diese Worte zu finden sind – in einer Rangfolge nach ihren Algorithmen geordnet. Die Suchmaschine ist damit die Fortsetzung von dem, was der Index in einem Buch gewesen ist. Ein Index führt mich schnell zu den Dingen, die ich bereits kenne. Ich finde die Stellen im Buch wieder. Ein Index ersetzt aber auf keinen Fall das Inhaltsverzeichnis oder gar ein Abstract.

Zunächst scheint es eine große Erleichterung, wenn Information stets im Volltext zur Verfügung steht. In Wahrheit aber spart man sich häufig, ein Thema zu erarbeiten, weil man es ja schnell zitieren und weiterverwenden kann. Statt eigene Gedanken zu wagen, “stehen wir auf den Schultern von Riesen” und diese Riesen sind so übermächtig, dass jeder Widerstand zwecklos scheint. Wir haben so viel zur Verfügung, dass es unmöglich scheint, noch selbst etwas anderes Beizutragen, als eine Collage des bereits vorhandenen. Dieser Eklektizismus hat durchaus seine Ästhetik. Ich habe für mich persönlich aber das stärker werdende Gefühl, nichts mehr wirklich zu finden, und vor allem nichts mehr zu er-finden, je mehr ich mir die Technik des Suchens zueigen gemacht habe.

Dieses Gefühl wertloser Zeitverschwendung habe meist ich nicht bei Inhalten, die mir im Freundeskreis auf Twitter oder Facebook empfohlen werden oder die ich auf den Blogs finde, die ich regelmäßig lese. Oft klicke ich auf einen Link in meiner Twitter-Timeline, bei dem ich in der Regel nicht vorher sehe, wohin er führen wird, da er über bit.ly oder ähnliche Dienste verkürzt wurde, und stoße auf vollkommen unerwartet Neues, von dem aus es nicht selten Link für Link weiter geht, in Richtungen, die ich eben nicht schon im Vorhinein vorgegeben habe.

Auch was ich auf sozialen Informationsnetzen wie Wikipedia oder OpenStreetMap finde, bedeutet mir meist mehr, als die algorithmischen Ergbnisse der Suchmaschinen. Nicht zuletzt das motiviert mich, selbst etwas beizutragen, von dem ich glaube, dass andere es gerne finden werden.

Ich halte nichts von totaler Internet-Abstinenz. Fasten bedeutet schließlich nicht Hungern, sondern das bewusste Einhalten von Speisevorschriften zur Sammlung und Bewusstmachung dessen, auf was man verzichtet.
Mein Experiment – no Google, just the Web – soll mir ganz persönlich Klarheit darüber verschaffen, welchen Stellenwert Search für mich hat und wie es mich und meine Arbeit im Internet verändert. Ich werde versuchen, hier über meine Erfahrungen zu berichten.

Hier geht es zu den Erfahrungsberichten:

Weitere Beiträge zum Thema:
Das Ende der Geschichte für Kreativ-Berufe
Über das Fasten
Slow Media und die knappe Zeit
Kohelet – Zeit und Glück

und: Ich bin dann mal verpixelt.