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Casa Jasmina

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“We must put human values into things, we must beware of the clashes among things. A smart house can clash with a happy house. The thoughtless convenience of seamless design can clash with the need for control and dignity. The users clash with the people. Our geek hood clashes with our personhood.”
Bruce Sterling

Casa Jasmina

Casa Jasmina wurde am 6. Juni feierlich in Turin eröffnet. Es ist das erste “Connected Home”, das vollständig Open Source laufen wird.

The Internet of Things

Smart Home -vernetzte Haushaltsgeräte und computergesteuerte, vernetzte Haustechnik, Connected Car – Autos, die als kybernetische Systeme teilweise oder demnächst sogar vollständig automatisch fahren, Wearable Technologie – Messtechnik, die wir direkt am Körper tragen, als Smartwatch, Armband oder als Smart Textile, und schließlich die Smart City, eine weitgehend vernetzte, datengesteuerte Stadtverwaltung – das alles ist das Internet der Dinge, das IoT. Beim Internet der Dinge geht es keineswegs nur um Maschinen – “Data is made of people”, die wichtigsten Daten liefern ein detailliertes Bild des täglichen Lebens von Menschen. Daher bekommen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung durch das IoT nochmals mehr Bedeutung. Das Internet of Things wird unser Leben noch stärker durchdringen und vielleicht noch stärker verändern, als das World Wide Web oder das Smartphone es schon getan haben.

Smart Home
Smart Home

Wie ist es, tatsächlich mit Connected Technology zu leben? Mehr als zwei Milliarden Menschen sind bereits über ihr Smartphone mit dem Internet verbunden. Ein Smartphone ist aber tatsächlich ein Plattform, die mehr als zwanzig unterschiedliche Sensoren trägt, Messinstrumente, die ununterbrochen unsere Bewegungen, unseren Aufenthaltsort, die Funkverbindung und viele andere Dimensionen unserer Umwelt aufzeichnen. Diese technologischen Eigenschaften sind allerdings kaum das, was die Menschen tatsächlich erleben, wenn sie ihr Smartphone nutzen. Telefone und Tablets sind in ihrer Erscheinungsform vielmehr ziemlich ähnlich zu Büchern, lediglich mit etwas mehr Funktionen. Wir nutzen unsere Mobiltelefone als Medien, und wir sehen sie dabei kaum jemals als Teil eines “Internet of Things”. Daher ist es alles andere als trivial, den wahrhaftig vernetzten Lebensstil sichtbar zu machen. Und das ist eines der Themen, um das es bei der Casa Jasmina geht: Ein Musterhaus für das heimische Leben unter “Connected Technology”.

Digitaltechnologie hat bereits nahezu alle Bereiche unseres Geschäftslebens wie auch unseres Altags verändert. Und obwohl ich oft gesehen habe, wohin bestimmte Entwicklungen führen würder, war es mir kaum möglich, andere Leute von den Konsequenzen zu überzeugen, die nach meiner Meinung bereits unvermeidlich geworden waren. Und dann schlug der Wandel zu, hinterließ seine Opfer blutend auf dem Feld zurück, oft tötlich verwundet. Ich liebe digitale Technik. Ich liebe Social Media, Suchmaschinen und Wikis. Aber ich beklage, wie einfach wir unseren öffenltichen Raum aufgeben, den so viele Menschen für uns so hart erkämpft hatten. Ich beklage, wie schnell wir den gesellschaftlichen und politischen Einfluss an rein wirtschaftliche Berechnung verlieren. Ich möchte kein einziges bischen mehr hergeben, von unseren öffentlichen Gütern. Das ist der Grund, warum wir vor fünf Jahren das Slow Media Manifest geschrieben haben, und warum wir für Slow Startups eintreten, statt für “Disruptive Technology”. Casa Jasmina zeigt eine Alternative zu proprietären Plattformen im IoT; das ist ihr zweites Standbein.

Casa Jasmina

Auf dem Wired Nextfest 2013 hörte ich Bruce Sterling, eine mögliche Strategie erklären, mit der sich die Technologie-Kultur des Silicon Valley, nicht umsonst als “Plattform-Kapitalismus” kritisiert, kontern ließe: Open Source Luxus. Statt Netzwerkeffekte auszubeuten, über Skalierbarkeit und “Winner-Takes-It-All”-Ökonomie Monopole aufzubauen, spracht er sich für wertebasierte Wirtschaft aus, deren Grundlage die Kunstfertigkeit wäre. Open Source wäre dabei kein Widerspruch zu Luxus. Vielmehr fördert Open Source die Kunstfertigkeit als Merkmal der Differenzierung. Anstatt Menschen in die Nutzung eines Betriebssystems zu zwingen, anstatt sie in Abonnements zu sperren, würde Open Source Luxus sowohl Bequemlichkeit als auch die Wahlfreiheit der Nutzer fördern. Und seit September 2014 verkündet Bruce, wie diese Idee greifbar gemacht werden kann: Durch die Casa Jasmina. Benannt nach Jasmina Tešanović, von der die ursprüngliche Projektidee stammt, fußt dieses erste Open Source Connected Home im Turiner Fab Lab und seinem Arduino-Ökosystem. Es ist ein Feldversuch für den Einsatz jener Technologie, die bald auf die eine oder andere Weise unsere Wohnungen durchdringen wird.

Casa Jasmina wird ein Connected Home mit echten Menschen, die darin wohnen. Es wird nicht einfach ein weiterer Ausstellungsraum eines Technologie-Herstellers oder eines Energieversorgers mit Hochglanz-Ausstellungsstücken, die niemand je benutzen wird. Keine Düsenrucksäche, keine fliegenden Autos, keine sprechenden Kühlschränke mit lächerlicher Unterhaltungselektronik, um die keiner gebeten hat.

Casa Jasmina fußt auf zwei Fundamenten. Als erstes der Arduino, Open Source Hardware die zur führenden Steuer-Plattform für das Internet of Things geworden ist. Der Arduino ist eine echtes Kind des Piemont. Nach seinem Start am Interaction Design Institute in Ivrea, wird der Arduino heute von einem Team um Massimo Banzi in einem kleinen Büro über dem Fab Lab in Turin entwickelt. Und obwohl Open Source ist der Arduino Partner von Elektronikkonzernen wie Intel oder Samsung. Eine große Gemeinschaft trägt zur Entwicklung von Anwendungen bei, die auf den Arduino aufgebaut sind. Gemeinsam mit seinem englischen Gegenstück, dem Raspberry Pi Mikrocomputer, liefert der Arduino eine überaus starke Basis für das Internet of Things.

Die zweite Säule der Casa Jasmina ist Design. Wie Dinge aussehen, wie Dinge mit uns und mit anderen Dingeninteragieren, welche Materialien zum Einsatz kommen, und welche Geschichte die Dinge erzählen -für das, was ein Ding ausmacht, sind diese Aspekte ebenso wichtig, wie ihre technische Funktionalität. Casa jasmina ist auf eine Art auch Design Fiction, das heißt Design, das uns vorführt, wie sich anfühlt, was möglicher Weise kommen wird. Aber im Gegensatz zu normaler Design Fiction wird die Casa Jasmina Objekte beherbergen, die tatsächlich benutzt werden sollen, oder die Ausgetascht werden müssen, falls sie sich nicht gut nutzen lassen. Dinge zu entwerfen, die tatsächlich funktionieren ist etwas ganz anderes, als nur ein beeindruckendes Ausstellungsstück abzuliefern. Auch wenn die Dinge, die es in der Casa Jasmina zu sehen gibt, ausgefallen daher kommen, müssen sie dennoch für die Bewohnern des Hauses funktionieren, und nicht nur gerade solange halten, bis sich die Tore einer Industriemesse wieder schließen.

In der Casa Jasmina

Die Gebäude in der Via Egeo, in denen sich das Fab Lab und die Casa Jasmina befinden, sind Überreste von Turins ruhmreicher Vergangenheit als Zentrum der Schwerindustrie.

Und jetzt gibt es sie, dort, in der Via Egeo Nummer 16. Die Architektur der Casa Jasmina ist echter italienischer Futurismus: Erbaut in den 1920er Jahren, diente das erste Stockwerk, in dem die Casa sich befindet, als Appartment für Manager bei FIAT, und zwar direkt über einer Stahlgießerei, die sich im Erdgeschoss darunter befand; geplant, um die Trennwände zwischen Privatleben und Industrie einzureißen; was könnte es für das Thema unserer Zeit für eine bessere Metapher geben! Wie von den Futuristen gefordert, aber nie wirklich erreicht, wird das Internet of Things unsere Privatsphäre einschrumpfen, unsere bürgerliche Vorstellung einer unverletzlichen, privaten Wohnung. Aber anstatt diese Entwicklung einfach in den Faschismus münden zu lassen, wir wir den Futurismus in den 1930er Jahren haben enden sehen, haben wir heute die Chance, den Futurismus unserer Zeit auf eine wohltätigere, demokratische Bahn zu stoßen. “Wir müssen menschliche Werte in die Dinge bauen”, wie Bruce Sterling es ausdrückt.

Bruce Sterling and Lorenzo Romagnioli in Casa Jasmina's kitchen.
Bruce Sterling und Lorenzo Romagnoli in der Küche der Casa Jasmina.

Das Äußere der Casa Jasmina sieht für Turiner Verhältnisse immernoch etwas heruntergekommen aus, würde aber sehr wohl für ein durchschnittliches Wohnhaus etwa in Neapel durchgehen. Das Treppenhaus, das zum Piano Nobile des Gebäudes hinauf führt, ist ziemlich eng, und ich schätze, es war ursprünglich eher für Dienstboten und Lieferanten gedacht. Wir betreten die Wohnung durch einen kleinen Vorraum, in Dunkelgrau gestrichen, an dessen einer Wand sich ein programmatischer Text von Bruce Sterling befindet, der die Besucher in das Projekt einführt – ganz so, wie man es in einer Museumsausstellung erwarten würde. Gegenüber davon liegt ein einfaches Badezimmer.

Bookcase by Caterina Tiazzoldi
Bücherregal von Caterina Tiazzoldi

Gerade aus öffnet sich ein geräumiger Korridor mit weißen Wänden, der nach rechts durch hohe Fenster den Blick auf einen Dachgarten freigibt. Links kommt ein kleines Wohnzimmer, das nicht durch eine Wand oder eine Schwelle vom Korridor getrennt ist, sondern durch ein Bücherregal, eine Designstudie von Caterina Tiazzoldi. Eine geräumige Küche öffnet sich dahinter ebenfalls zum Korridor, vom Wohnzimmer durch eine Wand getrennt. Dahinter folgen zwei Räume mit Türen, die als Schlafzimmer dienen werden, wenn die Casa Jasmina schließlich bewohnt werden wird. Am Ende des Korridors führen ein paar Stufen zu einer Wand, an dem ein A0-Poster hängt, das die Allegorie eines ” Internet der Frauen Sachen”.

"IoWT - the Internet of Women Things
“IoWT – the Internet of Women Things

Dahinter mag sich für eine Doppeltüre befunden haben, die vermutlich einst der Haupteingang war. Der Boden in den Schlafzimmern, der Küche und dem Wohnzimmer ist mit wertvollem, kunstvollen Eichenparkett belegt, das irgendwie die langen Jahrzehnte überstanden hat, in denen das Gebäude verlassen und seinem Zerfall anheim gegeben war.

Great confidence in the durability of Open Desk's furniture (also used as makeshift stairs)
Großes Vertrauen in die Haltbarkeit der Möbel von Open Desk (hier als Behelfstreppen im Einsatz).

Die meisten Möbel sind von Open Desk designt, einem Londoner Design Studio, das seine Entwürfe als Open Source veröffentlicht, die sich leicht aus Sperrholz ausschneiden lassen. Die Art, in der Open Desk seine Entwürfe frei verteilt, ist weniger ungewöhnlich, als wir naiv annehmen könnten. Es ist sogar etwas, dass bis vor kurzem völlig alltäglich war. Wenn wir früher zu einem Schreiner gegangen sind, bekamen wir vom Handwerker unterschiedliche Beispileentwürfe gezeigt, die aus Musterbüchern und Katalogen entnommen wurden. Davon hätten wir ein Design ausgewählt und beauftragt, nachdem das Möbelstück schließlich gefertigt worden wäre. Gute Qualität bei Möbeln hängt in keiner Weise davon ab, ob irgendwelches geistiges Eigentum abgesichert wurde. Vielmehr im Gegenteil: Nur massenproduzierte Ware braucht diesen Schutz, da sie nie das handwerkliche Niveau erreichen kann.

Die nicht ganz so smarten Dinge

Marco Biranza's '9 Random Spots' is nice piece of calm technology as art. The color pattern changes, whenever the connected Geiger counter registers an accidental decay.
‘9 Random Spots’ von Marco Biranza ist ein schönes Werk sogenannter ‘Calm Technology’. Die Farbmuster verändern sich dann, wenn ein angeschlossener Geigerzähler einen radioaktiven Zerfall misst.

Die “Smart Things” in der Casa Jasmina sind bisher hauptsächlich Kunstwerke, die mit dem Konzept der Calm Technology spielen. Ein wenig Technik hat auch seinen Weg in die Casa direkt aus dem Regal der Elektronik Supermärkte gefunden. Ein Roomb, ein selbsttätiger Staubsauger, ist zwar nicht vernetzt, aber doch auf seine robotische Weise “smart”. Und dann ist da noch ein Smart-TV Fernseher von Samsung. Just an dem Abend der Eröffnung der Casa Jasmina stand Juventus Turin im Finale der Champions League dem FC Barcelona gegenüber – ein Spiel, dass kein Turiner versäumen durfte. Aber trotz all der Nerds und Geeks, die anwesend waren, gelang es uns nicht, ein TV-Signal auf das Smart-TV zu bekommen. Zu guter Letzt stöpselte ich den Samsung Fernseher an meinen Laptop und degradierte ihn damit zu einem völlig “dummen” Bildschirm für das eigentlich smarte und vernetzte Gerät, das allerdings noch so ganz im 20. Jahrhundert verhaftet ist. Als das erledigt war, gingen die Schwierigkeiten aber weiter. Wir mussten feststellen, dass Mediaset, Italiens dunkle Fernsehmacht, den Stream nur über das Silverlight-Plugin ausspielt – einer Video-Technologie, die so veraltet ist, dass sogar ihre Erfinderin Microsoft den Support schon vor Jahren eingestellt hat. Auf meinem Rechner installierten wir also eine Virtual Machine mit einem zehn Jahre alten Windows, damit wir eine entsprechend antike Version des Internet Explorers darin zum laufen bringen konnten.

My laptop, running Windows XP in a VirtualBox, attached to the "Smart TV" ...
Mein Laptop, auf dem Windows XP in einer VirtualBox läuft, angeschlossen an das “Smart TV” …

Diese lustige Anekdote illustriert, was am “Smart Home” Business falsch läuft, so wie es sich die Unternehmen der traditionellen Unterhaltungselektronik ausmalen. Das Design von Fernsehgeräten ist unverändert seit der Zeit, als es nur ein paar Kanäle gab, zwischen denen man hin und herschalten konnte, und die keinen Bedarf an einer Tastatur hatten, auf der man komplexere Befehle eingeben kann. Noch schlimmer ist das Online-Video Angebot von Mediaset. Getrieben durch den Wunsch nach Kontrolle über die “digitalen Rechte” an den Inhalten, haben sie einfach ihr proprietäres Distributionssystem auf einer lebensunfähigen Technologie aufgesetzt. Falls kritische Infrastrutkur auf so veralteter Software läuft, wird sie leicht zum Sicherheitsrisiko. Man sollte nicht einmal seine Waschmaschine darüber laufen lassen.

Unterhaltungselektronik steht unter dem Ruf, die Industrie mit den schlechtesten Benutzerschnittstellen zu sein, mit dem geringsten Verständnis davon, wie sich Menschen verhalten. Wer jemals versucht hat, die Uhr am Küchenherd zu stellen, weiß, dass die Ingenieure der Elektronikbranche genau auf der anderen Seite des Universums zuhause sein müssen, wie ihre Kunden. Haushaltsgeräte waren schon immer veraltet, Reste übriggebliebener Elektronik, zusammengelötet um ein letztes Mal Geld zu erwirtschaften. Das ist wirklich nicht die Branche, in deren Obhut man gerne seine privaten Daten anvertrauen möchte. Ebensowenig gelten die Versorgungsunternehmen, die schließlich zu den wichtigsten Antriebern des Smart Home zählen, als besonders kundenfreundlich.

Andererseits sind wir mehr und mehr gewöhnt, alle dinge mobil, das heißt auf dem Smartphone zu erledigen. Dienste, die nicht via App auf dem Mobiltleefon erreichbar sind, fühlen sich veraltet und unpraktisch an. Leute, die einmal die Bequemlichkeit der mobilen Welt erfahren haben, werden alle elektronischen Dinge fortan daran benchmarken. Und warum auch nicht? Nur weil die alten Lieferanten unserer Dienstleistungen und Produkte sich nicht nach unserer Nachfrage richten, heißt doch nicht, dass wir darauf verzichten müssen! Sollten wir einfach aufgeben und die altmodischen, ineffizienten Produkte weiter nutzen, die nur unsere Zeit, die Energie und weitere Ressourcen vergeuden?

Open Source

Soll mein Haus von Google Nest oder von Apple Home betrieben werden? Man stelle sich die lächerliche Situation vor, in der man, hat man sich einmal für einen Anbieter entschieden, künftig alle seine Sachen nur noch dort und nirgends anders kaufen kann, weil die proprietären Betriebssysteme sich nicht gegenseitig vertragen. Wir müssten entweder die Smart-Home-Funktionalität aufgeben, oder alle Dinge im Haus auf das eine System abstellen. Es mag einige Marken-Puristen geben, die gedankenlos tatsächlich in so einer Monokultur leben wollen. Für die meisten Leute scheit das aber wenig praktikabel.

cj9Um erfolgreich zu werden, müssen die smarten Geräte nahtlos miteinander zusammenwirken, egal, wer der Hersteller ist. Das ist nicht das Geschäftsmodell von Unternehmen wie Google oder Apple. Offene Standards zur Interoperabilität ist genau das, wofür Open Source steht. Und der Arduino ist ohnehin die ausgereifteste und stabilste Technik für das IoT. Aber Open Source Technologie ist nicht nur besser darin, Dinge zusammenarbeiten zu lassen. Open Source bedeutet, dass man die Dinge hacken kann. Hacken, das heißt, die Dinge zerlegen, auseinanderbauen, verstehen, wie die Dinge und noch wichtiger, wie ihre Software funktionieren. Das ist, soweit ich weiß, der einzige Weg, Dinge wirklich sicher zu machen. Nur was gehackt werden kann, wird wirklich getestet. Nur wenn es eine lebhafte Diskussion über mögliche Sicherheitslücken gibt, und darüber, wie man diese flicken kann, wird diese Technologie für uns sicher werden. Diese Lektion sollten wir inzwischen gelernt haben.

The Internet of Everything

“As Warren Ellis said at ThingsCon, we may be living in the last days when nobody knows where we are — when the home is still like an aristocrat’s castle, distinct from the rest of the world.”
Bruce Sterling

Beim Internet of Things geht es nicht nur um Maschinen, die miteinander sprechen. Die Sensoren in unseren Geräten erzeugen und sammeln Daten, die direkt mit unserem Privatleben verbunden sind, mit unserem Verhalten und der Umwelt, die uns umgibt: “Data is made of people”

Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und Algorithmenethik werden nocheinmal wesentlich wichtiger, da das IoT in Wahrheit eher ein “Internet of Things and Humans” ist, wie Tim O’Reilly es nennt, oder vielleicht noch deutlicher: das “Internet of Everything”. Konzepte wie Big Data oder IoT tragendas Risiko, zum Schlagwort und zur leeren Marketingphrase zu verkommen. Das Marketing- und Techno-Blabla verdeckt dabei, wie alldurchdringend der Einfluss der digitalen Technologie in unserem Leben tatsächlich schon geworden ist. Ein Modell des Smart Home nach menschlichen Maßstäben wird uns helfen, dies wieder sichtbar zu machen. Es wird uns in die Lage versetzen, zu erforschen, wie wir das beste aus dieser wirklich bemerkenswerten Entwicklung gewinnen können, die uns helfen kann, nicht nur unseren Alltag bequemer zu gestalten, sondern auch, ihn sogar erfüllter zu machen, sozialer, und nachhaltiger.
Und darum bin ich überzeugt, dass Casa Jasmina ein so wichtiges Projekt ist.

Links

Bruce Sterling über die Casa Jasmina
Video: Introducing Casa Jasmina
Transmedia 2015
Casa Jasmina (this was at least my first encounter with the idea)

Weiter lesen
Slow Startups
Algorithm Ethics
Ethics for the Quantified Self
My socialist post-liberal techno-determinism

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Die Moderne ist unsere Antike

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(1) “A Vernacular is like a crumbled streetversion of a classic language. Like Italian is a vernacular language and Latin is a classic language. What does acutal vernacular online video sound like, that’s native to the Internet and speaks vernacular Internet ease? I’ll just read you the categories of an unnamed [Online Video Network] here: ‘LOL, OMG, WTF, Cute, Games, Geeky and Trashy’. Those are actual terms, coined on the Internet. Now, you could think, to be classy, you would like to expunge that vernacular, and instead of them saying ‘LOL’ they should say something like ‘commedy’, instead of ‘OMG’ something like ‘experimental’. – Allright. That’s not how it works. It is a little hard to understand this, but the actual path to classiness is to upgrade the vernacular. You have to get through LOL, OMG, WTF, Cute, Games, Geeky and Trashy and somehow come out the other side. You have to make network culture classy on its own terms. You have to ennoble the vernacular – not by teaching people Latin, but by writing Dante’s Inferno!”
Bruce Sterling, Closing Keynote: Vernacular Video from Vimeo Festival. (Mein Transkript)

(2) klassisch zu lat. classis “militärisches Aufgebot; Abteilung; Klasse” stellt sich das Adjektiv classicus “die ersten Bürger-Klasse betreffend …
Duden, “Das Herkunftswörterbuch”

(3) “Die Moderne ist unsere Antike” – unsere Klassik
Mantra von Roger M. Buergel als Kurator der Documenta 12

“Der Gedanke, heute eine internationale Ausstellung der Kunst des 20. Jahrhunderts in Deutschland zu veranstalten, liegt so nahe, daß er keine nähere Begründung zu erfordern scheint.”, leitet Werner Haftmann den Katalog zur ersten Dokumenta 1955 in Kassel ein. Offenbar war den Machern dieser ersten Kunst-Großschau ganz genau klar, was die Kunst ihres Jahrhunderts ausmacht. Nach dem Rundgang über die Documenta 12 war ich mir dagegen darüber klar, dass dies die letzte Dokumenta gewesen sein würde, die ich besuchte. Hatten die Kuratoren der drei Vorgänger-Ausstellungen wohl noch versucht, mit der Documena ein Bild der Kunst von heute zu zeichnen – und waren jeder auf ihre Art gescheitert, so hatte die Ausstellung 2007 aufgegeben, etwas wie “klassische Kunst unserer Zeit” zu definieren. Was zunächst wie Nachlässigkeit oder Denkfaulheit des Kurators wirken mag, erscheint mir heute als Symptom für einen Umbruch in der Kunst, die in ähnlicher Weise erschüttert wird, wie die Medien, die Musikindustrie und all die anderen sogenannten Kreativ-Bereiche.

Die Moderne – die Kunst der Neuzeit, wie sie sich in den letzten dreihundert Jahren entwickelt hatte – ist unsere Antike, genau, wie Roger Buergel es sagt. Ähnlich, wie das scholastische Festhalten an der Antike noch weit in die Neuzeit hinein das Denken und Schaffen des Abendlandes beherrscht hatte, gelten uns die neuzeitlich-modernen Begriffe und Kategorien immernoch als Maß für “klassiche” Qualität. Bestandsaufnahmen und Zustandsbestimmungen zeitgenössischer Kunst münden entweder in blutleeren Formalismus, wie etwa das jüngste Kunstforum, oder enden in totaler Beliebigkeit, wie eben die letzte Dokumenta.

Ratlos blickt man sich um: muss es nicht etwas geben, das an die Stelle des Alt-Ehrwürdigen tritt? Eine neue Generation? Eine neue Richtung? Bruce Sterling gibt uns die Antwort, in seiner fast einstündigen Rede zum Abschluss der Vimeo-Konferenz. Das Neue ist schon da, und zwar als Mundart, Volkssprache, Räubersprache, kurz: es steht außerhalb der klassischen Kultur. Das Neue findet sich in der Vernakular-Kultur des Netzes.

Man mag einwenden, dass diese Erkenntnis weder neu noch originell ist; dass das Internet die Kultur durch und durch umkrempelt, davon sprechen ganze Jahrgänge von Wired und tausende von Stunden TED-Konferenz. Aber Sterling sagt etwas anderes: Um das Neue zu erkennen, müssen wir darüber sprechen können. Die (Fach-)Sprache der Kulturwissenschaften und der Kritiker ist aber immernoch die Lingua Franca der Moderne. Gleichzeitig ist das Vernakular der Netzkultur noch nicht viel mehr, als ein Jargon.

Die Formen der zukünftigen Kunst (falls man diesen durch Genie-Kult und bürgerlichen Produktionsprozess ohnehin korrumpierten Begriff überhaupt perpetuieren möchte) können unter anderem so etwas wie Urban Art oder Generative Art sein – Favela Chic, um mit Sterling zu sprechen – oder der der Netzkultur eigentümliche Eklektizismus, die Bricolage, das Collagieren, der Punk – Sterlings Gothic High Castle.

Diese Vernakularkultur unterscheidet sich insbesondere durch ihre Produktionsbedingungen von der klassischen zeitgenössischen Kultur. Der klassische Schriftsteller, Künstler oder Komponist erhält seine Entlohnung durch juristisch saktionierte Transfersysteme wie GEMA, VG Wort, VG Bild/Kunst – oder er ist direkt beim Staate angestellt, als Professor, als Mitglied eines Staatsorchesters oder als Rundfunkredakteur. Dagegen steht die viel bejammerte scheinbare “Kultur des Kostenlosen” der Blogs, der Online Videos, der Remixes und Covers, des sogenannten “Bürgerjournalismus” und so weiter und so weiter. Und obwohl es manchem als naheliegend erscheinen mag, der vernakularen Kreativität des Netzes die Produktionsweise der klassischen Kultur zu übertragen, ist dies doch zum Scheitern verurteilt: die Kategorien der alten Welt greifen nicht mehr; die Menschen wollen kein Latein mehr sprechen, weil ihnen Italienisch in viel flüssigerer Weise Ausdruck verleiht.

Enhances
“Stand on the shoulders of Giants”
Accessibility of knowledge
Retrieves
everybody a publisher
oral tradition
dilettante / amateur

Non-Commodity-
writing

(Decay of Copyright)

Reverses
Bricolage (Ecclecticism)
Generative Art
New definition of Public Space
Obsolesces
Assembly-line book
mass-marketing for books
book-fairs

In der Tabelle links habe ich versucht, diese Entwicklung mit der Tetrade von Herbert Marshall McLuhan zu interpretieren:

Als Folge dieses Wandels wird es allerdings nur noch wenig große Romane geben, nur selten wird jemand das Risiko auf sich nehmen, einen teuren, abendfüllenden Spielfilm zu produzieren oder mit einem Orchester ein sinfonisches Werk der Musica Viva einstudieren. Was wir erleben, ist die Rückkehr des Dilettanten, durchaus im besten Sinne, des Enthusiasten; “Everybody a Publisher” bedeutet: Non-Commodity-Production of Culture.

Mehr dazu:
“So literature collapses before our eyes” – Non-Commodity Production
Das Ende der Geschichte – für Kreativ-Berufe.