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The On-Line Encyclopedia of Integer Sequences

“Es gibt einige, oh König Gelon, die glauben, dass die Zahl der Sandkörner unendlich groß wäre; und ich denke dabei nicht nur an Sand, den es um Syracus oder sonst in Sizilien gibt, sondern an den Sand, der in allen Gegenden gefunden wird, seien sie bewohnt oder unbewohnt. Und wieder gibt es einige, die, ohne die Zahl für unendlich zu halten, dennoch glauben, dass keine Zahl benannt wurde, die groß genug wäre, diese Anzahl zu überschreiten.”
On-Line Encyclopedia of Integer Sequences
Mit Zahlen überwinden wir jede Schranke unserer konkreten Anschauung, wie Archimedes im 3. vorchristlichen Jahrhundert seinem König beschreibt. Aber nicht nur ins schrankenlose führen uns die Zahlen. Seit Jahrtausenden erkennen Menschen aller Kulturen in Zahlen auch die Struktur der Welt. Kein Wunder, dass die Zahlentheorie zu jeder Zeit den Raum für mystische, sogar okkulte Spekulation geboten hat.

Von besonderer Faszination sind Zahlenfolgen, also Mengen von Zahlen, die in in einem Zusammenhang zu einer Regel stehen – wie die Primzahlen (nur teilbar durch sich selbst und durch, oder die vollkommenen Zahlen, die gleich der Summe ihrer sämtlichen Teiler sind – wie 6=1+2+3 oder 28=1+2+4+7+14 – sechs Tage der Schöpfung, 28 Tage benötigt der Mond für seinen Umlauf oder 496 Dimensionen der Eichgruppe der String-Theorie (Typ 1).

Vor vierzig Jahren begann Neil Sloane, Mathematiker bei den Bell-Labs, die heute zu Alcatel-Lucent gehören, Zahlenfolgen systematisch zusammenzutragen. Ein Vorhaben, dass im Internet seinen perfekten Träger gefunden hat: die On-Line Encyclopedia of Interger Sequences. Unter den mehr als 170.000 Zahlenfolgen finden sich Beispiele, wie die oben genannten, aber auch sehr exotische, wie etwa die : 21, 36, 55, 60, 67, 68, 92, 93, 125.

In pythagoräischer Tradition (“Alles in der Welt ist Zahl”) können auf der OEIS alle Zahlenfolgen nicht nur als Listen, sonder auch als Tonfolgen abgerufen werden. Ein ausgefeiltes Interface bietet sogar die Möglichkeit der Transposition für verschiedene Instrumente Stimmungen und Rhythmen. Bei vielen der Zahlenfolgen erkennt man ihre Regelmäßigkeit nur schwer in den Tabellen mit Ziffern, aber als Klangfolge erkennt man sie sofort.

The Encyclopedia of Integer Sequences

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Geologische Naturdenkmäler in Bayern

Hoher Stein bei Percha” Die Steine selbst, so schwer sie sind, Die Steine! Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein, Die Steine.”

“Aus Stein, aus Stein, so muss das Herz von meiner Liebsten sein.”

Von ihrem Gegenstand her ist die Geologie eine der langsamsten Wissenschaften. Wenn dann zu einer umfänglichen geologischen Datenbank ebenso sorgfältige wie gut verständliche Erläuterungen zur Entstehung von Toteislöchern, Gumpen und Findlingen dazu kommen, haben wir es mit einem guten Kandidaten für unsere Slow Media-Liste zu tun. Etwa 2.800 Objekte findet man im bayerischen Geotopkataster, viele (z.B. die Top 100-Liste hier) davon so spektakulär, dass sie einen größeren Umweg oder einen eigenen Ausflug wert sind – idealerweise begleitet von dem jeweiligen ausgedruckten Informationsblatt oder aber einem eBook-Reader. Zum Beispiel der oben abgebildete „Hohe Stein von Percha“, ein erratischer Amphibolitblock, „reichlich mit schräg laufenden Quarzadern durchzogen“, den der große Geologe Ludwig von Ammer gegen Ende des 19. Jahrhunderts als herausragendes Naturdenkmal der Region beschreibt:

Die Strasse weiter gegen den See herabschreitend gelangt man bald an den grossen Block von Percha vorbei, der als das schönste der erratischen Felsstücke in der Münchener Gegend gelten darf.

Anders als im Fall der Onlinedatenbank der Baudenkmäler kann man sich mit den geologischen Sehenswürdigkeiten Zeit lassen – die meisten davon haben bereits zehntausende Jahre überdauert und werden uns das ganze Long Now erhalten bleiben.

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Claudio del Principe: Anonyme Köche

Claudio del Principe: Anonyme KöcheAls zwei von uns (benedikt und jbenno) vor einigen Jahren ein Blog zum Thema Kochen anfingen, lernten wir Claudio des Principe von Anfang an als einen der Kommentatoren kennen, dessen Urteil für uns stets höchstes Gewicht besaß, so wie die rigorose Verteidigung der wirklich einzigen Art, ein Sauce Bolognese zu bereiten.

Claudio schreibt seine Gastrosophie, seine hervorragenden Rezepte und Kritiken in seinem Blog Anonyme Köche nieder, Motto: “Das Leben macht Spass mit Demi Glace”. Dort finden sich auch sein leidenschaftliches Plädoyer für Fonds, das meine Art zu kochen wesentlich beeinflusst hat – ich habe jetzt stets Demi Glace im Hause (naja, meistens, jedenfalls).

Schleunigst entschleunigen, hier am Beispiel Ragu, kann denn auch ganz allgemein als eine Anleitung zum guten Kochen gesehen werden.

Das beste: die Texte und Rezepte gibt es als schönes Buch bei Gräfe und Unzer – noch ein Beispiel für ausgedrucktes Internet.

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International Music Score Library Project (IMSLP)

International Music Score Library Project (IMSLP)Internetausdrucker ist zum Synonym für digitalen Analphabetismus geworden. Man verbindet damit so wenig ruhmreiche Gestalten wie die Bundesminister von der Leyen oder Schäuble.
Vollkommen zu Unrecht wird damit das Ausdrucken von Content auf Websites pauschal in die reaktionäre Ecke gestellt. Denn es gibt Inhalte, die sich (zumindest bis zur Marktfähigkeit von Epaper) nicht ihrer Bestimmung nach auf dem Bildschirm nutzen lassen. Musiknoten zum Beispiel – oder hat schon einmal jemand versucht, seinen Laptop in den Notenständer zu klemmen?

Gut gesetzte Notenblätter gehören zum ästhetisch großartigsten, was die westliche Welt, die an Kalligraphie, verglichen etwa mit China oder Japaneher arm ist, an gedrucktem hervorbringt. Das International Music Score Library Project ist eine Sammlung von Notenblättern. Und zwar von nahezu jedem Musikstück, das rechtefrei zu publizieren ist. Damit stehen in der IMSLP so gut wie alle Kompositionen, die vor 1900 geschrieben wurden. Das Projekt läuft auf der Wikimedia-Engine, und jeder kann sich beteiligen, ergänzen, was fehlt, oder Alternativen mit anderen Arrangements, Fingersätzen, Textübersetzungen oder Transnotationen hochladen. Für Schuberts Winterreise etwa gibt es (augenblicklich) den vollständigen Zyklus für Klavier und Gesang, gesetzt in mittlerer Stimme, in tiefer Stimme, Transskriptionen für Klavier zu zwei und zu vier Händen. Alles sauber eingescannt und in guter Qualität auszudrucken.

Vollkommen unbeschwert kann jeder, der ein Instrument spielt oder singen möchte, sich durch die Musikgeschichte arbeiten; nahezu unbegrenzt.

IMSLP ist für mich, neben Wikipedia, eines der schönsten Beispiele, für kollaborativ erstellte Inahlte von höchster Qualität.

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Theodore Gray: The Elements

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Theodore Gray: The ElementsIm 5. Jahrhundert vor Christus forderte Empedokles, dass die Welt aus einer endlichen Anzahl verschiedener Elemente bestünde. Seine Lehre von den Vier Elementen wurde für die nächsten 2000 Jahre ein Fundament der abendländischen Wissenschaft. Erst im 17. Jahrhundert wurde die Vorstellung, die Welt bestünde aus unterschiedlichen Verbindungen von Feuer, Wasser, Luft und Erde durch den irische Forscher Robert Boyle revidiert – allerdings nur, was die Anzahl und Art dieser Elemente betrifft. Dass es tatsächlich elementare Bestandteile gibt, kleinste Einheiten, die selbst noch die Eigenschaften der Materie tragen, selbst aber nicht weiter teilbar sind, ohne diese Eigenschaften zu verlieren, daran gibt es spätestens seit der Entdeckung des Periodensystems und der (Wieder-)Entdeckung des Atoms im 19. Jahrhundert keinen Zweifel mehr.

Und es sind tatsächlich erstaunlich wenig unterschiedliche Elemente: knapp über 90 verschiedene können auf der Erde gefunden werden. Das faszinierende an den Elementen sind ihre chemischen Eigenschaften, die sich in schöner Periodizität wiederholen, nicht ohne allerdings ab und zu spektakuläre Ausreißer auf Grund physikalischer Effekte zuzulassen. Dieses Periodensystem der Elemente, 1869 von Mendelejew entwickelt, bleibt in aller Regel Theorie, farblose Tabelle mit wenig anschaulichen Buchstaben und Zahlen darin. Dabei lässt sich gerade die Regelmäßigkeit in der Vielfalt der Elemente wunderbar visualisieren. Genau dies ist die Leistung von Theodore Gray, einem bekannten Unternehmer und Software-Pionier, Mitautor von Mathematica und eben Elementsammler.

Aus seinen tausenden von Element-Proben und Fundstücken hat Gray einen wunderbaren Bildband zusammengestellt, der anekdotisch Entdeckung, wichtige Eigenschaften und die persönliche Beziehung des Autors zum jeweiligen Element visualisiert; großformatig, Hardcover, Hochglanz.

Parallel dazu gibt es eine Website ‘periodictable.com’, auf der zu finden ist, was im Buch keinen Platz mehr hatte, oder was später zur Sammlung des Autors hinzugekommen ist.

Mad Science: Experiments You Can Do at Home - But Probably Shouldn'tIn einem zweiten Band “Mad Science: Experiments You Can Do at Home – But Probably Shouldn’t” geht es dann zur Praxis, ebenso bildstark inszeniert, wie überaus amüsant zu lesen. Zahlreiche Experimente habe ich erfolgreich durchgeführt und großen Spass dabei gehabt.

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Erzabtei Beuron: Tagesimpuls

“Ein lebendiges Kloster gleicht einer Oase, in der man ruhen und neue Kraft schöpfen kann. Es gleicht einer Quelle, an der der Besucher sich laben kann und ihm ein erfrischender Trank gereicht wird.” (von der Website)

Seit 1884 P. Anselm Schott das Messbuch der katholischen Kirche (Missale Romanum) erstmals auf deutsch übersetzt und herausgebracht hatte, ist Der Schott zum Synonym für das deutsche Messbuch geworden. Angepasst an die Liturgie des II. Vatikatischen Konzils wird der Schott auch heute noch von der Erzabteil Beuron herausgegeben.

Das Besondere: dieses 1.000-jährige Benediktinerkloster, im Naturpark Obere Donau malerisch gelegen, stellt für alle Tage des Jahres die entsprechende Messe online zur Verfügung, als Tagesimpuls. Der Titel ist sehr passend, denn anders, als einfache Gebetssammlungen oder fromme Sinnsprüche für den Tag, folgt die Messordnung einer inneren Logik, aufeinander aufbauend, Tag für Tag, führt uns durch die Evangelien eingebettet, in Gebete, Psalmen und die Lesungen aus anderen Büchern der Bibel. Es ist tatsächlich ein Impuls zur spirituellen Versenkung und Reflexion, wunderbar angetan, sich bei Tagesbeginn nochmals zu Konzentrieren oder am Abend den Tag in Sammlung zu beschließen.

Gerade für das Regelhafte der Liturgie, für die unendlichen Querverweise und Bezüge religiöser Texte ist die Form des Hypertext, ist das Web ein perfektes Vehikel.

Link: http://www.erzabtei-beuron.de/liturgie/index.php