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SPEAK WITH US, NOT FOR US.

Direkte Demokratie: präsentieren statt repräsentiert werden.

Über den Niedergang der Volksparteien ist viel gesagt worden, ähnlich wie über das Ende der Massenmedien. Wir hören allerorten von Atomisierung der Gesellschaft, vom Werteverfall, und natürlich von Politikverdrossenheit. Gleichzeitig erheben sich auf der ganzen Erde Menschen, versammeln sich, protestieren gegen Unfreiheit, Ausbeutung und vor allem mangelnde Teilhabe. #arabspring, #spanishrevolution oder #occupywallstreet sind die prominentesten Vertreter dieser Bewegung. Aber auch die erstaunlich lebhafte Beteiligung der deutschen Wähler an immer zahlreicheren Petitionen an den Bundestag und das explosionsartige Wachstum der Piratenpartei sprechen weniger für ein Ende der Politik, als dafür, dass sich vielleicht an der politischen Form etwas geändert hat.

Marina Weisband: To do: Der Presse deutlicher erklären, dass wir eine BASISDEMOKRATISCHE Partei sind und nur den Vorstand zu befragen uns nicht gerecht wird.
Antwort von Christan Soeder: @Afelia Die größere Bedeutung des Vorstandes zu leugnen ist jedenfalls albern.

Der kleine Twitter-Dialog zwischen der politischen Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, und dem SPD-Blogger Christan Soeder ist eine wunderschöne Verdichtung, worum es meiner Ansicht nach geht: Präsentation statt Re-Präsentation.

“Sprecht mit uns, nicht für uns.” ist der zentrale Satz aus der Autonomie-Erklärung von OccupyWallStreet. Dieser Satz ist für mich das eigentlich revolutionäre der Occupy-Bewegung. Für jemanden zu sprechen, Interessen vertreten, ein Mandat übernehmen – so stellen wir uns eine Demokratie vor. In mehr als 2000 Jahren, seit den Anfängen der griechischen Demokratie und römischen Republik haben wir gelernt, dass wir unsere Interessen delegieren müssen, weil Demokratie eben so funktioniert. Und tatsächlich gibt es, abgesehen von ein paar Schweizer Kantonen vielleicht, kaum Beispiele für direkte Demokratie, die man als Erfolg bezeichnen möchte. Ist die Ideologie der repräsentativen Demokratie also alternativlos? Für Repräsentation, “Volksvertretung”, sprechen eine Reihe von Gründen – von “es kann ja nicht jeder zu allem Experte sein” bis zu “es können ja nicht immer alle mitreden” – die ich hier gar nicht diskutieren möchte. Es geht mir auch gar nicht um eine Kritik der repräsentativen Demokratie, sondern um eine alternative Hypothese dazu.

Alles fließt, oder: ‘Permanent Beta’

Ein Weg zu einer nicht-repräsentativen Demokratie wurde von Habermas und anderen im Konzept der Deliberation beschrieben. Politischer Wille wird in Diskursen direkt zwischen den Menschen ausgehandelt und in geeigneter Weise verbindlich an die politischen Akteure (z.B. Berufspolitiker) im Zentrum der Gesellschaft kommuniziert. Die Kritik an diesem, im Ideal vollkommen liberalen Willensbildungsprozess ist leider nicht von der Hand zu weisen: Menschen, die sich schlecht arktikulieren können oder die fürchten müssen, dass sie im Gespräch “überredet” oder sogar “niedergebrüllt” werden, fangen erst gar nicht an, sich daran zu beteiligen. Jeder, der schon einmal Opfer einer Löschdiskussion auf Wikipedia wurde, weiß, wie sich das anfühlt. Und dennoch steht doch gerade Wikipedia ganz ohne Zweifel für einen der großartigsten Erfolge von kollektivem Arbeiten im Netz. Es mutet auf den ersten Blick unglaublich an, was hier völlig ohne monetären Anreiz von abertausenden von Menschen gemeinsam erarbeitet wurde – und ständig wird an der Wikipedia weitergearbeitet und verbessert, und das, obwohl die Kommunikationskultur doch eher ruppig ist, um es noch freundlich zu sagen.

Eine Form deliberativer Demokratie ist die Liquid Democracy – sozusagen das Wikipedia-Prinzip direkt auf politische Willensbildung übertragen. Als Liquid Feedback findet dieses diskursive Konzept zur Zeit Anwendung bei der Piratenpartei. Auch an dieser Stelle möchte ich gar nicht auf die möglichen Schwächen dieses Entscheidungsprozess eingehen. Viele der diskutierten Kritikpunkte an Liquid Democracy in einer, juristisch immernoch “herkömmlichen” Partei machen aber schon deutlich, worum es mir eigentlich geht: viele Konflikte entstehen, da zwischen dem basisdemokratischen Ansatz der direkten Präsentation und Argumentation eigener Meinung jedes Einzelnen und der, in unserem politischen System vorgesehenen mittelbaren Repräsentation durch einen “Volksvertreter”, der irgendwie versucht, “Mehrheitsmeinungen” durchzusetzen.

“Möchte man mit einer Partei, deren Entscheidungen mittels Liquid Democracy in permanenter Interaktion zwischen Basis und Repräsentanten fallen, zusammenarbeiten oder gar eine Koalition eingehen? […] Die grundsätzliche Frage wäre aber, ob Koalitionen nicht eigentlich der Suche nach der besseren Lösung im Weg stehen. Die Ausrichtung an Sachfragen könnte uns so bemerkenswerte Vorgänge ersparen, wie die Ablehnung dessen, was man eigentlich fordert aber leider von den „Falschen” beantragt wurde.”
(“Liquid Democracy” auf wiki.piratenpartei.de)

Stetigkeit und Berechenbarkeit sind offenbar notweniger Teil von repräsentativen Systemen. Der Vertreter steht ja nur mittelbar für seine Mandanten. Damit sie erkennen, dass er auch wirklich ihre Politik vertritt, muss er in einigen, plakativen Punkten konstant und verlässlich handeln, während sein die Motive für die meisten seiner Entscheidungen seinen Wählern verschlossen bleiben müssen. Fraktionszwang und Koalitionstreue sind die bekannten Folgen – nicht unbedingt im Sinne unserer Verfassung, die schließlich das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten nur deren (eigenem) Gewissen verpflichtet sehen möchte.

Keine Macht für Niemand!

“Occupy Wall Street is leaderless resistance movement with people of many colors, genders and political persuasions.” (occupywallst.org)

Direkte Demokratie wird meist mit Plebiszit gleichgesetzt, also mit dem “zur Abstimmung geben” von anstehenden Entscheidungen an alle Wähler. Im Wesentlichen bleibt es aber dabei, dass die politische Arbeit von gewählten Repräsentanten erledigt wird. Deutlich weiter geht das delegative oder imperative Mandat, bei dem Wähler ihr Stimmrecht bindend an ein bestimmtes Abstimmungsverhalten einem Abgeordneten übertragen, der sie dann parlamentarisch vertritt. Imperative Mandate sind üblicher Weise an Beschlüsse von Versammlungen gebunden, d. h. ein Parteitag oder eine Bürgerversammlung beschließt mehrheitlich und der Abgeordnete muss diesen Beschluss im Parlament vertreten. Delegative Demokratie, sogenanntes Proxy Voting erlaubt es dagegen jedem Einzelnen, sein Stimmrecht an denjenigen abzugeben, der in der jeweiligen Abstimmung ihre Meinung vertritt. Alle drei Formen, Plebiszit, imperatives oder delegatives Mandat, gehen – genau wie das klassische “Gewissens-Mandat” im deutschen Wahlrecht davon aus, dass es Gruppen von Menschen gibt, die hinreichend homogen sind, als Menge zusammengefasst zu werden, die dann von ihrem Abgeordneten repräsentiert wird.

Aber muss das so bleiben? Über die Einschränkungen unserer Verfassung und des Parteiengesetzes hinaus sehe ich keinen prizipiellen oder theoretischen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, jeden einzelnen selbst zu Wort kommen zu lassen. Warum soll Politik nur durch Einschließen funktionieren, nur dadurch, dass Menschen zusammengefasst werden? Eine vollständige Präsentation von jedermann für sich selbst trägt natürlich starke Züge des anarchischen Egoismus eines Max Stirner. Und Geimeinschaften, die sich auf solche, nicht-repräsentative Weise organisieren, wie z.B. eben Wikipedia, wirken auf mich auch genau, wie ich mir eine Stirner’sche Anarchie vorstelle. Und genau das gibt mir zu denken – ja, es ist ruppig und jeder, der nicht bei fünf auf dem Baum ist, wird von Trollen gefressen, aber trotzdem entsteht eine Gemeinschaftsarbeit, die alles, was ich an hierachisch-repräsentativ organisierten Projekten gesehen habe, weit in den Schatten stellt.
Der Unterschied von heute zu allein Zeiten davor ist, dass uns jetzt technische Plattformen zur Verfügung stehen, über die nahezu beliebig viele Menschen gleichzeitig an Politik beteiligt werden können.

Eine logische Folge eines solchen, nicht-repräsentativen Systems ist, auch staatliche Transferzahlungen, Subventionen, Fördergelder etc. nicht mehr Top-Down zu verteilen, sondern jedem Menschen gleichen Zugang zu ermöglichen, wie ich im letzten Post beschrieben hatte. Es ist daher Konsequent, wenn die Piratenpartei das bedingungslose Grundeinkommen als Ziel in ihr Programm nimmt.

Die globale Krise der bestehenden wirtschaftlichen und politischen Ordnung macht es wert, darüber nachzudenken, ein neues Kapitel der Aufklärung aufzuschlagen und Menschen wirklich konsequent als autonome Wesen zu würdigen, die sich vielleicht besser um sich selbst kümmern können, als wohlmeinende Vertreter, die letztlich über sie bestimmen.

Today, we proudly remain in Liberty Square constituting ourselves as autonomous political beings engaged in non-violent civil disobedience and building solidarity based on mutual respect, acceptance, and love.
nycga.net

Bemerkung
Eine nicht-repräsentative Demokratie kann aus den oben geschriebenen, dürren Sätzen natürlich nicht begründet werden. Ich bin aber überzeugt, dass sich das Thema noch weiter entfalten lässt und dass es sich lohnen wird, daran weiter zu arbeiten. (Will heißen, dass dies hoffentlich nicht der letzte Post zum Thema sein wird …)

Literatur
von Alain Badiou:
“Die kommunistische Hypothese”
“Ist Politik denkbar?”
“Politik der Wahrheit”
“Das Sein und das Ereignis”

dann:
Friedrich Engels, “Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats”
Max Stirner, “Der Einzige und sein Eigentum”

Weiterlesen
Urheberrecht, Kulturproduktion, Grundeinkommen

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Urheberrecht, Kulturproduktion, Grundeinkommen

“Sinn und Zweck des Urheberrechts ist die Sicherstellung von ökonomischen und ideellen Anreizen zur kreativen Arbeit.” Dieser Satz aus dem Antrag “Für ein modernes Urheberrecht” auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei beschreibt in der Tat den ursprünglichen Gedanken, in dem das erste Copyright 1709 mit der Statute of Anne in England Gesetz wurde:

“An Act for the Encouragement of Learning, by vesting the Copies of Printed Books in the Authors or purchasers of such Copies, during the Times therein mentioned“

.

Über die Folgen, die der Zerfall der Urheberrechts-Verwertung auf Kreativität und Kulturproduktion hat, habe ich schon ein paar mal geblogt (“Non Commodity Production” oder “Virtueller Rundfunk“). Kunstproduktion funktioniert seit zweihundert Jahren in der spannungsreichen Symbiose von “Künstler-Unternehmern” einerseits und Verlagen/Galerien andererseits. Beiden Seiten garantiert das System ihr wirtschaftliches Auskommen – sofern es sich um professionelle Künstler handelt. Professionell ist dabei ein Zirkel-Begriff, da berufsmäßiges Künstlertum genau dadurch definiert wird, dass der Künstler einen Markt hat. Neben bzw. über dem Markt steht ein System der Kunstförderung mit staatlichen Mitteln. Dieses System funktioniert genau wie wir es auch von der Finanzierung von Wissenschaft kennen: Gremien verteilen die Gelder, die man über einen Ausschreibungsprozess für sein Projekt beantragt.

Ob Wissenschaft oder Kunst – ich habe in meinem Leben keine unproduktivere und unkreativere Arbeit gemacht, als Gelder über diesen Prozess öffentlicher Förderung zu beantragen. Für ein Projekt mit zwei Jahren Laufzeit kann man üblicher Weise von 12 bis zu 18 Monate intensiver Antragsarbeit veranschlagen. Dadurch werden diejenigen systematisch bevorzugt, die über eine Infrastruktur zur Bewältigung der anspruchsvollen juristischen und inhaltlichen Logistik des Antragsprozesses verfügen: Künstler bzw. Wissenschaftler, die vorher schon erfolgreich waren oder die an Universitäten und Akademien den wissenschaftlichen Mittelbau dafür ausbeutennützen können. (Auch darüber habe ich hier schonmal geschrieben.) Meist sind die Mittel noch an Kriterien gebunden, die politisch und nicht inhaltlich motiviert sind. Ein Beispiel sind die Staatsgemäldesammlungen, die mit ihrem Etat streng Künstler aus allen Regionen eines Bundeslandes gleichmäßig ankaufen müssen; ein zweites Beispiel sind Mittel der EU-Kommission, die nur genemigt werden, wenn Institute aus mindestens drei EU-Ländern sich beteiligen.

Aber der Hauptnachteil dieser subventionierten Künste und Wissenschaften ist: es gewinnt immer das Mittelmaß; Innovation, wirklich umwälzende Neuheit hat so gut wie keine Chance auf Förderung. So waren es so gut wie nie die verbeamteten Kuratoren der staatlichen Museen, die wirklich signifikante Sammlungen angelegt hatten – das sind so gut wie immer private Sammler.

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Während das alte Verwertungssystem zerfällt, erhebt sich gleichzeitig etwas Neues: die Mittel zur Kreativ-Produktion und Veröffentlichung stehen mehr und mehr Menschen zu immer geringeren Kosten bereit. Gleichzeitig steht praktisch alles, was erzeugt wird und wurde, allen jederzeit zur Verfügung. Durch diese beiden parallelen Entwicklungen – ‘jeder ein Künstler’ und ‘alles schonmal dagewesen’ wird die Schöpfungshöhe relativiert, aus der sich im bisherigen Verständnis die Schutzfähigkeit von geistigen Leistungen ableitet. (Was daraus für die Kreativberufe folgt, steht z. B. hier). Kreative Arbeit wird von viel mehr Menschen geleistet, als je zuvor. Aber es sind nicht mehr notwendiger Weise die ‘großen Würfe’. Das heutige Finanzierungssystem ist nicht darauf ausgelegt.

Wie in vielen Bereichen, ist auch bei der Subventionierung von Wissenschaft und Kunst unser Staatswesen darauf gebaut, die Menschen zu repräsentieren, das heißt einzuschließen, zu umschließen, zu homogenisieren. Und selbst der sogenannte Minderheitenschutz und das Pluralitätsgebot gehen davon aus, dass man die Menschen innerhalb dieser Minderheiten bzw. Teilmengen der Gesellschaft zusammenfassen kann. ‘Wir wissen, was gut für euch ist’ – so funktioniert das repräsentative System. Es ist autoritär, selbst wenn die Repräsentaten gewählt werden. Vieles in unserer Gesellschaft funktioniert nach diesem Prinzip, ob es die vielbeschriebene “Gate-Keeper”-Funktion journalistischer Redaktionen ist, ob kommunale Ausschüsse für “Kunst im Öffentlichen Raum” oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.

Netzkultur jedoch sperrt sich gegen das Repräsentiert-Werden. Das liegt daran, dass sich im Netz jeder selbst präsentieren kann. Ein auf Repräsentation fußendes Finanzierungsmodell wie die heutigen Subventionen ist damit genauso ungeeignet, wie der auf signifikante Schöpfungshöhe basierende Schutz geistiger Leistung.

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Das Recht der Menschen auf Sozialhilfe leitet sich in Deutschland aus dem Artikel 1 des Grundgesetzes ab. Mit der Sozialhilfe muss die Gesellschaft allen Menschen im Land ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es steht also nicht zur Diskussion, ob unsere Gesellschaft auch für die Menschen sorgt, die – warum auch immer – aus dem wirtschaftlichen Raster fallen. Aber Sozialhilfe wird – genau wie die Gelder für Wissenschaft und Kunst – auf Grundlage des repräsentativen Systems verteilt. Menschen müssen sich qualifizieren, müssen sich als geeignet erweisen, um die Hilfe zu erhalten – was im Kern schon gegen den Gedanken einer allgemeinen Sicherung der Würde verstößt. Nicht zuletzt aufgrund der entwürdigenden Schikanen, die bedürftigen Menschen durch Hartz-IV aufgezwungen werden, um zu überleben, und die daraus folgende Finanzierung eines Molochs an staatlichem Verwaltungs- und Überwachungsapparat, wird schon länger die Alternative eines bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert: die Zahlung eines Grundbetrags von Geld an jedermann, unabhängig, ob sich der Empfänger dafür als geeignet bewiesen hat, oder nicht.

Ich möchte aber hier gar nicht auf die schwierige und hochgradig ideologisch aufgeladene Debatte des Für und Wider des bedingungslosen Grundeinkommen eingehen. Mir geht es um eine Nebenwirkung, die ein solches Angebot für unsere Gesellschaft haben könnte: das bedingungslose Grundeinkommen wäre gleichzeitig die Grundfinanzierung für kreative Innovation. Für fast alle Künstler, Wissenschaftler und auch für viele der Unternehmensgründer, die ich kenne, wäre eine Existenzsicherung durch ein bedigungsloses Grundeinkommen eine enorme Erleichterung, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Und auch das sogenannte Übergangsgeld, welches Arbeitnehmern gezahlt wird, die ein eigenes Geschäft aufbauen wollen, wäre nicht mehr daran gebunden, dass deren Arbeitsplatz erst wegfällt. Es geht mir also um eine Alternative zum System der Subventionen einerseits und einer grundsätlichen Sicherstellung der Existenz, die den Einzelnen in die Lage versetzt, selbständig zu arbeiten.

Die Umstellung der kreativen, kulturellen Produktion vom repräsentativen System von heute, auf ein System, dass es die Präsentation des Einzelnen fördert, muss neben der Grundfinanzierung der Menschen ein Zweites sicherstellen: diskriminierungsfreien Zugang zu den Produktionsmitteln – und das sind heute vor allem die Plattformen zur Publikation, die CDNs, die in Wahrheit ‘Netzneutralität’ bedeuten und schließlich zu den Suchmaschinen, die die Produkte erst für andere sichtbar machen. Dieser zweite Aspekt sollte mit dem ersten komplementär durchdacht werden.

Die Rede vom “Diskutieren ohne Scheuklappen” wird meist von Leuten eingesetzt, um Abscheulichkeiten und Grausamkeiten in die Runde zu werfen und so den Boden für einen Kompromis zu ihren Gunsten zu erreichen. Im Fall des bedingungslosen Grundeinkommen stehen wir erst am Anfang der Diskussion. Weiten Teilen der Gesellschaft scheint es vollkommen undenkbar, einfach Geld ohne Bedingungen zu verteilen. Ich bin aber überzeugt, dass ein bedinungslose Grundeinkommen genau die Form ist, staatliche Sicherheit und Förderung vom autoritären, umschließenden “Vater Staat” auf die Netzkultur zu transformieren, die doch so ganz und gar auf Ermächtigung es einzelnen Menschen ausgerichtet ist.

Nachsatz

Der Grundgedanke von der Repräsentation durch den Staat im Gegensatz zur Präsentation des Einzelnen findet sich an einigen Stellen bei Alain Badiou (u.a. in “Das Sein und das Ereignis”). Badiou überträgt die aus der Mengenlehre entlehnten Begriffe vom “Einschließen”, “Zugehören” auf seine Ontologie und findet interessante Anknüpfungspunkte zur Dialektik von Öffentlichkeit/Privatheit bzw. Ökonomie und Politik bei Aristoteles und Marx/Engels. Ich habe leider bisher niemand gefunden, der diese Gedanken auf eine “post-demokratische” Gesellschaft und Netzkultur überträgt. Auch Badiou entfaltet nicht explizit eine politische Theorie aus seinen Überlegungen, sondern verharrt – verständlicher Weise – im Gegensatz von Kapitalisus/Kommunismus seiner Zeit. Gerne möchte ich an diesem Punkt weitermachen. Falls als jemand passende Quellen kennt, wäre ich dankbar für einen Hinweis!

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